2016-05-21

Salina 》Stromboli (nono giorno) ¡UPDATED!

Mittag mit Aussicht und gierigen Vulkantagestouristen


Aussicht aus der Unterkunft...

... mit Küche im Garten.

Fertig prepared, mit Wanderstiefeln, langen Socken, Pulli, Jacke, Helm, Taucherbrillen, Taschenlampen, Wasser und langen Hosen (die hatten wir gar nicht dabei, haben es aber keinem verraten und brauchten sie auch nicht, wie ohnehin nur die Häfte der Ausrüstung. Aber sicher ist sicher) warten wir auf unseren Tourguide Paolo, oder Marco, oder Paolo ...

... und dann geht es aufwärts...

... im Gänsemarsch (Jesus und der Tod waren auch dabei. Aber selbst Jesus musste Wanderstiefel anziehen)

Fast oben angekommen...
 
.. rauchen die ersten Schlote ...

... und spucken schließlich auch.

Der langweiligste Geburtstag-ever! :'D

2016-05-18

Milazzo 》Salina

Ausblick von der Frühstücks- über die Sonnenterrasse aufs Meer

Auf dem kurven-und vegetationsreichen Weg nach Lingua zum somnenbad am Kieselstrand

 Ausblick vom Vulkan nach Filicudi und Alicudi

Felsengrotte zum Sonnenbad auf den Steinfelsen in Rinella

 Bucht vom Pollara

Fischerlager in Pollara

Um die Ecke bei Pollara, ganz zufällig

Catanias Teatro Greco 》Milazzo

Der erste (es sind alle herzlich eingeladen, es ihm nachzutun) Besuch steht heute an. Nici landet um 13.30, das heißt, es bleibt genug Zeit Calabria noch weiter zu erkunden. Nach all dem Barock des sizilianischen Süden steht mir der Sinn nach etwas Nicht-barocken.


Auch wenn das Teatro Greco gestern keinen besseren Eindruck gemacht hat, als die Löcher mit römischen Resten, ist es vielleicht ein guter Start. Weit gefehlt, denn der Start findet sich auf dem Markt, der über Nacht aus dem Boden geschossen meinen Weg dorthin verlangsamt. Hier scheint es alles zu geben, der Geruch von Fisch liegt in der Luft, kunstvoll drapierte Fruchtberge leuchten durch dass Wirrwarr an Ständen, Menschen, Rollern und Touristen. Nicht wenige der feilgebotenen Lebensmittel müssen sich unter Beweis stellen, die Besten zu sein. So werden die Schnecken, die lebendig in flachen Holzkisten die Auslage zieren, animiert, aus dem Meer der Durchschnittlichkeit an kleinen Halmen und Stöcken emporzuklettern, um sich der Käuferschaft durch Ergeiz und Athletik aus besonderer Nähe zu präsentieren. Zwiebelstauden werden mit Dutt frisiert und Fische in Achterbahnloopings arrangiert, als würden sie kockett durch das Meer imponieren.


 


Durch eine Seitengasse verlasse ich den Markt und komme in eine parkähnliche Grün-Braunanlage. Hier sind verschiedene Gruppen von Männern versammelt. Was das Zentrum ihres Interesses ist, lässt sich nicht direkt erkennen. Erst als ich an einer Gruppe sitzender Herren, die durch die Umstehenden nicht vollends abgeschirmt werden (können), sehe ich, dass sie Karten spielen. Aber der wahre Skandal, der die scheuen, spitzbübischen Blicke erklärt, findet sich in zehn- und zwanzig-cent-Stücken auf dem Tisch. Hier wird also im großen Stil die Rente aufgebessert. Illegal. Damit möchte ich nichts zu tun haben und ziehe von dannen.
Einmal das gesamte -eingezäunte- Teatro Greco umrundet beginne ich die Schilder an den vermeintlichen Eingängen zu lesen und drehe noch eine halbe, real glaube ich sogar dreiviertel Runde bis zum Ticketschalter. Das Theater ist: SUPERB. Ein Traum aus Ziegel-, Geröll- und Quaderschichten. Nebeneinander, übereinander, durcheinander. Was von außen trostlos aussah, entpuppt sich im Inneren als ein fast noch vollständiges Theater das sich im Vergleich zum Straßenniveau in den Boden absenkt. Ein beschilderter Rundgang erklärt alle Stationen umfangreich. Gierig lese ich jede Tafel durch, vergleiche Gelesenes mit Gebautem und lasse Nichts aus. Der Clou - eines der Häuser, die im 18. Jahrhundert auf dem Mauern des Theaters errichtet wurde, wurde gleich mit konserviert und in den Rundgang integiert. Kein Palazzo, aber immerhin ein vollständiges Wohnhaus. Das Wetter ist herrlich, was dem Heidenspaß noch zu Gute kommt.



Als ich alles bis zur Erschöpfung durchstöbert habe, geht es mein Gepäck im Hostel aufladen und zum Bahnhof, Nici in Empfang nehmen. Zusammen gehts zunächst nach Milazzo, um von dort mit der Fähre nach irgendwo überzusetzten. Wohin und wann!, besprechen wir am Abend, nach einem gemeinsam einsamen Mahl auf einer Dachterrasse einer der vielen verlassenen
Lokalitäten.

2016-05-15

Ragusa 》Catania

In Ragusa angekommen, erfragen ich am Terminal und bei zwei Signori auf dem Weg eben diesen und finde schließlich  mit brieftaubenhafter Akkuratesse (Derivation des Adjektivs akkurat) meine Unterkunft, das B&B A Vanidduzza. Hier passiert nach dem Klingeln erstmal nichts.  Die Wäsche aufhängende Nachbarin fragt, ob ich beide Klingeln versucht habe.  Ich habe sogar alle drei versucht. Das ändert aber nichts. Nach einiger Zeit biegt eine Frau mittleren Alters um die Gassenecke. Mit einem Handzeichen unter ihrem über beide Unterarm gelegten Sperrgut gibt sie mir zu Verstehen, dass wir uns heute ein Dach teilen werden. Das beschleunigt ihr Tempo zwar nicht, aber ihr warmherzige, gewinnendes Wesen lassen keine Verärgerung zu.
Das Zimmer und alle Türen sind in fröhlichen Farben und im Stil der 50er Italiens gehalten. Nach einer kurzen Einweisung  gibt sie mir zu verstehen, dass ich am Abend  auf gar keinen Fall zu Fuß  nach Ragusa Ibla gehen oder nach Ragusa Superiore zurückkommen darf. Die Treppen als Nadelöhr wären nicht sicher. Ich gehorchen und erkunden die obere Stadt. Am Reißbrett nach den Erdbeben im 17.Jahrhundert entstanden, hat sie die gewohnte Ordnung dieser Städte. Die Orientierung  ist um so leichter, da die Hauptstraße Ragusa Superiores, der Corso Italia auf einem Bergrücken verläuft. Die Bebauung ist heterogen und gebaut werden durfte anscheinend so hoch wie Geld da war. Bei den wenigsten reichte es für drei Geschosse, so dass das Straßenbild von endlosen Reihenhauszeilen geprägt ist. In seiner Klarheit ist dieses Stadtbild  trotz barocker Dekoration erfrischend nüchtern und steht im kompletten Gegensatz zu Modica, dass vor Gassen, Treppen, Mauern und Höhenunterschieden einem Wirrwarr der Orientierungslosigkeit glich.
Aber nicht nur das ist hier gegensätzlich. Die faschistischen Bauten und spostmodernen, multifunktionalen Großprojekte, die zwischen all den barocken Reihenhäusern Platz ¿gefunden? haben; der hohe Anteil farbiger Bevölkerung im "Landesinneren" (Mito,  einer meiner Gastgeber erklärt mir später, dass es viel mit Arbeitsplätzen/ -Chancen zu tun hat; die vor ihrem Schaufenster stehende Apothekerin, die raucht; die ordentliche Auslage des Gemüsehändler, die von Einheimischen belebten Plätze und Cafés und wenigen Touristen. Eine ganz normale Stadt irgendwie.





Es fängt an zu dämmern. Auf dem Weg zurück zur Unterkunft, fällt mir auf, dass auch alle anderen gehen. Die Lokale leeren sich, Läden schließen, die Messen enden. Die Menschen strömen heim. Ich bin im Takt. Das fühlt sich gut an. Beschwingt mit der playlist ‚Italia in Radio‘ und Zuccheros Partigiano Reggiano  beginne ich diesen Eintrag zu schreiben. Und so stört mich auch nicht das grelle, bläulich weiße Deckenlicht.


Es klopft. Ich schrecke hoch. Verschlafen? Auschecken? Frühstück  seit einer Stunde überfällig. Aus dem Bett springend rufe ich "Si!?", bin kurz erleichtert, die Schlafanzugshose zu tragen und renne zur Tür. Davor steht eine verstörte, aber erleichterte Signora, die mir kleinlaut gesteht, sie sei in Sorge gewesen. Sie habe mich gestern nicht heimkommen hören und jetzt sei meine Tür auch nicht verschlossen gewesen. Auch sie trägt noch ihren Schlafanzug. Wir freuen uns beide, dass alles gut ist und ich lege mich zurück ins Bett. 6:34. Die italienische Musik hat sie offensichtlich nicht mir zugeschrieben.
Nach einem kurzen Frühstück mit Tee, Croissant, Nutella und Gebäck, dass ihre Tochter bereitet hat, packe ich meine sieben Sachen. Die darf ich noch hierlassen bis ich zum Bus muss. Da später niemand da ist, werde ich noch eine Notiz auf dem Bett lassen, weil mir der Abschied sonst zu unpersönlich gewesen wäre: "Grazie Mille per tutti,  Signore. Baci. Jörg".
Auf meinem Weg in die Stadt passiere ich viele der Orte von gestern und besichtige die Kirche Carime,  ein Stahlbetonskelett, das sich aber den Ordnungsprinzipien seiner Nachbarn bedient. Das Innere zeigt die gleiche Ehrfurcht und die Ehrerbietung vorm Schöpfer wie alle Kirchen. Reich geschmückte  Altäre, aufwändige Dekorationen, nur der gebaute Hintergrund ist weniger dominant.


Dann geht es unzählige Stufen hinunter nach Ragusa Ibla. Der Ausblick auf die Altstadt ist beeindruckend. Der ganze Berg eine einzige Baumasse. Wie ein Wimmelbild fügen sich Häuser, Kirchen, Palazzi, Mauern, Treppen und Dächer zusammen zu einem Ganzen, eingebettet in das saftige Grün des Tales.


Am Fuß des Berges angekommen geht es wieder Treppen hinauf. Ziel ist der Duomo di San Giorgio. Auch ihn betrete ich wieder durch die Seitentür und was ich sehe verschlägt mir die Sprache. Alles was San Giorgio in Modica  beschrieb, trifft auch hier zu, wird aber in Fülle  und Plastizität in den Schatten gestellt. Die in den Rundbögen zwischen Haupt- und Seitenschiffen hängenden Lüster sind von imposanter Größe; Draperien aus schwerem, tiefroten Brokat füllen die Bogensegmente zwischen den Stützen, ebenso wie auch die dekorativ in die Pfeiler geschlagenen Rahmenmotive mit Brokat gefüllt wurden; die Schnitzarbeiten des Altarchors sind von einer Kleinteiligkeit und Präzision, dass es nicht vorstellbar scheint, wie viele Jahre es gedauert haben mag, dieses Meisterwerk anzufertigen; die Kuppeln der Seitenjoche sind mit Laternen gekrönt und die laternengekrönte Kuppel über der Vierung wird getragen von einem Nichts aus sechzehn doppelreihigen korinthischen Säulen und einem Wasserfall aus Licht.
In all seiner Pracht und Selbstdarstellung mutet der Dom eher einem Thronsaal als einem Haus Gottes an. Die Ausstaffierung hat etwas ungemein weltliches, diese Materialschlacht erscheint mir mit meinem evangelischen Gemüt bei allem Verständnis und jeder persönlichen Vorliebe für Material, Form und Konsequenz in der Umsetzung als ungezügelt.









 
Hinter dem Duomo liegt am höchsten Punkt der Altstadt. Von hier kann der Blick über die Stadtgrenzen in die Landschaft schweifen und viele Punkte im Stadtbild ausmachen, die erkundet werden wollen. Es geht die Treppen hinab und über den Corso XXV Aprile zur nächsten Kirche, diese feminin weich geschwungen ist Klosterkirche eines Nonnenordens und lädt mich zum Verweilen ein. Ich nehme Platz und genieße die Kühle. Da fällt mein Blick auf einem im Chor sitzende Nonne. Sie studiert regungslos ein Buch. Auch ich sitze still da. Langsam dreht sie sich um und lässt ihren Blick durch die Kirche schweifen. Dann bückt sie sich unter die Kirchenbank. Nach einigen Sekunden setzt sie sich wieder aufrecht und wischt sich über den Mund. Irritiert blicke ich weg. Säuft die Nonne? Vor den Augen des Herren, hinter dem Rücken ihrer Schwestern? Aber warum sollte es hier anders sein  als irgendwo sonst, nur die Wahrscheinlichkeit einen sündfreien Steinewerfer anzutreffen ist vielleicht höher.

Ich ziehe weiter in den Giardini Iblei. Hier gibt es gleich drei Kirchen,  die alle nicht zu besichtigen sind- eine erfrischende Abwechselung. Dafür gibt es allerlei Damen gemischten Alters,  die sich die Zeit mit dem Versuch des Aquarellieren eben jener oder der jene umgebenden Landschaft vertreiben. Die überdimensionale Zitrone finde ich am Besten, sie habe ich sofort erkannt. Ich beiße mir auf die Lippen und lasse meinen Blick über das Ende der Stadt durch die Landschaft schweifen, bis einer der vielen heute umhergeführten Schulklassen allzu präsent wird und ich den Rückweg antrete.


Auf dem Weg liegen noch zwei Palazzi, beide gratis dafür mit vermeintlichen Kunstwerken bestückt,  die zum Verkauf stehen. Ich denke an die aquarellierenden Damen und bin begeistert von diesem Wirtschaftszyklus. Leider entbehren beide Häuser den zeitgenössischen Wohngegebenheiten, lediglich die Deckenfresken lassen die frühere Nutzung erahnen. Beeindruckend aber der Bezug in die Landschaft. Absicht oder notwendige Belichtung?

 

Nun liegen noch die schweißtreibenden Treppen nach Ragusa Superiore vor mir. Aber jede Stufe wird mit einem neuen Blick belohnt und die sich windenden Treppen erschweren wirklich jedes entkommen vor möglichen randalierenden Jugendgangs. Ich denke an die Besichtigung des Holywrood Palace in Edinburgh. Dort, vor einem Turmzimmer, dass ungefähr einen Durchmesser von zweieinhalb Metern hatte und in dessen Mitte ein massiver Holztisch stand, der mindestens einen Meter des spärlichen Platzes einnahm, stand ein Schild auf dem frei übersetzt Folgendes zu lesen stand: "Hier harrte  Maria Stuart aus, als der wütende, katholische Mob das Turmzimmer stürmte." ... Ähnlich beengt ist meine Situation. Auch der mich erstürmende Mob könnte max. zwei Personen umfassen.










Auf dem Weg den Corso Italia hoch besorge ich noch im Antico Caffé Trieste zwei Ciabattini mit Salame und prosciutto gelegt. Zum guten Preis und hübsch verpackt wandern sie in meinen Rucksack. Die letzte Kirche für heute soll die Catedrale San Giovanni Battista sein (denke ich jetzt. Aber natürlich bin ich in Italien und Kirchen sind hier weiß Gott keine Mangelware). Ich glaube sie gefällt mir von allen bisher am besten. Das Farbspiel von Weiß und Grau-Brauntönen, durchzogen von dem allgegenwärtigen Gold ist gefällig, die Proportionen bestimmt, aber nicht erdrückend, die Ausstattung beeindruckend (und unaufdringlich).


Weiter durch die Gassen ziehen besorge ich un pane, il bagaglio, eine Wurst und einen Käse und un biletto  per Catania. Es ist die gleiche Frau,  die mir gestern den Weg erklärte. Sie guckt mich verdutzt  an. Wahrscheinlich wundert  sie sich, warum ich heute italienisch spreche. ;p


In Catania ausgestiegen (diesmal war es pures Glück,  dass ich den dem Hostel am nähsten liegenden Busbahnhof erwischt habe) mache ich mich auf zum Ostello Degli Elefanti. Es liegt prominent im Herzen Catanias und ist in einem Teil der Räume eines Palazzos untergebracht. Die Beschreibung meiner Reisebegleitung trifft es zwar nicht ganz. Alles ist in die "Jahre gekommen" obwohl das Hostel erst 2014 geöffnet hat, die sanitären Anlagen grenzen  je nach Tageszeit an "bestialisch", aber das Personal ist nett, die Deckenfresken in den Zimmern vorhanden und die Dachterrasse mit Bar ein absolutes ++.


Nach einem Erholungsschläfchen auf der oberen Ebene des Stockbettes entschließe ich mich die Vorräte aufstocken zu gehen und vielleicht doch noch einen Teil der Stadt anzuschauen. Im Supermarkt ergänze ich mein Abendessen um ein Paprikapesto, den ich als Butter missbrauchen werde, mariniertes Gartengemüse mit Oliven, keksigem allerlei und in Vorbereitung  auf die Reise morgen verschwinden noch Wasser, Geburtstagsaccessoirs und Obst im Stauraumwunderrucksack.
So schwer es mir fällt, ich kann mich nicht verwehren mir die Stadt anzugucken. Auf dem Weg liegt wieder ein Loch mit römischem Allerlei. Ich verschaffe mir einen Überblick, aber die Fülle der bisher gewonnenen Eindrücke blockiert mich und ich wende mich zum gehen. Die Signora im Kassenhäuschen ruft mir zu, dass es umsonst wäre. Ich werfe ihr einen mitleidiegen Blick zurück und sage, dass es mich nicht interessiere. Ich hoffe das bremst nicht die Leidenschaft für ihre Arbeit,  es war nämlich auch gar nicht ernstgemeint. Es war die falsche Zeit oder vielleicht waren die umher streuernden und dort beherbergten Katzen abschreckend; vielleicht kompensiert sie das mangelnde Interesse ihrer Umwelt an dem ihr anvertrauten Kulturschatz durch den zubau  ulkiger Katzenbehausungen.
Im Giardino Bellini werde ich ebenfalls nicht meines Interesses fündig, bei Verlassen passiere ich an einer Stützmauer zwei Jugendliche mit einer auffälligen Körpersprache und beim Bemerken meiner eines ebenso auffällig ertappten Verhaltens. Mir liegt ein "Attenzione e  prendete preservativo." auf den Lippen - aber ich weiß nicht, was "habt trotzdem Spaß" heißt und ich möchte nicht belehrend klingen.
Darüber nachdenkend, wie wenig Privatsphäre es bedeutet, keine eigene Wohnung zu haben und dass junge Erwachsene hier durchschnittlich bis zum 32.Lebensjahr bei ihren Eltern wohnen steure ich auf eine Kirche zu, die mehr als abgängig aussieht.


Daneben befindet sich ein niedrigerer Bau, durch dessen Portal junge Leute einen und ausgehen. Ich tue es ihnen gleich,  lasse auch die sich hier im Hof befindlichen die Löcher mit römischen Resten links und rechts liegen und gehe zielstrebig zum Hauptportal des Baus empor. Dort mogel ich mich in das imposante Treppenhaus.


Es scheint sich um eine Universität zu handeln und wie öffentlich die hier zugänglich  sind weiß ich nicht. Meine Blicke ziehen mich immer weiter ins Innere. Auf der ersten Etage fällt mein Blick in einen Innenhof in dessen Zentrum ein Pavillon steht, der Flur in dem ich stehe umrundet den Innenhof vollständig, von ihm gehen eine Vielzahl von Türen an.  Es scheint ein ehemaliges  Kloster zu sein. Noch immer meiner rechtmäßigen Anwesenheit nicht bewusst gehe ich weiter, nur noch eine Ecke, und noch eine und noch eine Treppe und noch eine Ecke... Es gibt einen weiteren Hof von gleicher Größe, aber ohne Pavillon. Das Kloster scheint eines Tages großmaßstäblich erweitert worden zu sein. Einen Zugang zu der abgedruckten Kirche suche ich leider vergebens. Schade.
Anschließend  ziehe ich weiter, passiere das Teatro Greco und stolpere anschließend förmlich in die Basilica Cattedrale di Sant'Agata. Nüchterne Klarheit mit dem im Eingangsportal hängenden Baldachin, der mit seinem Sonnengelb, die Kirche in ein mollig warmes Licht taucht und mediterranes Flair versprüht umgeben mich.


Dann treibt mich der Hunger und und die notwendige Planung der nächsten Tage auf die Dachterrasse des Hostels. Mein Mahl aus Brot, Käse und Wurst, Pesto,  Aperol Spitz mundet.


Anschließend  gesellt sich der Hostel-Rezeptionist zu mir und bittet um einen freien Platz.  Alle anderen Tische wären von nicht Hostelbewohnern belegt und seine Chefin erlaube ihm nur hier zu sitzen. Ich muss lachen, nehme es als Kompliment,  kein Gast zu sein, sondern dazu "zugehören". Wir trinken zwei Bier und er gibt mir Tipps für die Äolischen Inseln auf denen er zwei Jahre gearbeitet hat. Dann verabschiede ich mich in mein Stockbett und freue mich auf den nächsten Tag,  an dem ich endlich Besuch bekomme und die kommenden Tage auf den Inseln und zu zweit.

2016-05-07

Modica 》Ragusa


Ausgeschlafen,  tagfertig gemacht, gepackt, ausgecheckt.  Langsam kommt Routine in dies Leben. Wobei ich, und das werde ich heute noch feststellen noch nicht ganz dem Tageszyklus der Italiener folgen kann. Zuerst ein Frühstück in der Caffetteria i Portici, dem offensichtlich einzigen Lokal mit WLAN. Die rothaarige Signora im Alter einer nonna empfiehlt mir zum Cappuccino ein Brioche mit Pistazien-Eiscreme. Mir gefällt wie sie denkt und willige  ein. Ohnehin scheint Maria-wie sie später von einer sie umschwärmenden  Gruppe einheimischer Signori am Nachbartisch genannt wird- einer Signorina in nichts nachzustehen.


Danach geht es zur Chiesa di San Giorgio. Die  Hauptstraße Corso Umberto I ist gesäumt von dem was diesen Ort ausmacht: Barockarchitektur in jeder Form, Größe,  Typologie und jedem Alterszustand. Von dort abgebogen, Treppen steigend geht es auf zum Meisterwerk von Gagliardi. Der Blick in der Via Magg L Barone über die Stufen zwischen den Häuserschluchten über die Stützmauern des vor der Kirche durch Freitreppen inszenierten Aufstiegs hinweg, gerahmt von üppiger Bepflanzung verführt mich zu einer Skizze. Der zarte Geruch von Geißblatt weht immer wieder durch die Gasse.


Die Zeit aus den Augen verloren, beende ich meine „Arbeit“ und setze den Aufstieg  fort. Die Wegeführung, das Emporsteigen, die imposanten Hauptfassade der Kirche vor Augen erwecken das Gefühl von Erhabenheit. Beinah erliege ich dem barocken Lebensgefühl zur Repräsentation des eigenen Ichs, machtbewusst und extrovertiert. Aber der irritierende Anblick geschlossener Kirchentüren  und ein Blick auf die Uhr holen mich ins Jetzt zurück. Pausa Pranzo. Also ziehe ich weiter durch die Gassen, Treppen hoch, Treppen runter und erfreue mich an allem was ich sehe. Schneller als mir lieb ist, bin ich wieder unten in der Stadt und entscheide mich schließlich zu einem Mittagessen bei Maria einzukehren. Sie erkennt mich wieder und lächelt nett. Bene. Ich finde noch eine Platz an einem der Stehtische und bestelle auf italienisch, sie überzeugt mich von einem Glas Vino Bianco  zu meiner Tagliatelle con funghi, wir verstehen uns. Zum Abschied bestelle ich noch einen Caffé bei Maria an der Bar und gehe in die Schokolaterie, deren Besitzerin mich gestern schon auf der Straße ansprach. Auch sie erkennt mich wieder und wir kommen ins Gespräch. Ihr englisch ist gut und ich erzähle ihr von meinem Versuch italienisch zu lernen und den sehr unbefriedigenden Konversationen beim Abendessen. Sie fragt, was ich gegessen habe, ich beschreibe es in italienisch und sie hilft mir mit Vokabeln. Dann fragt sie wo ich herkomme  und erzählt mir dann von ihren Verwandten,  einer Enklave von Italienern aus Medici in Radevormwald,  die dort ebenfalls eine Kaffeerösterei führen. Mocambo. Die Schokoladenprobe mit einem weiteren Caffé gerät fast ins Hintertreffen. Doch der Geschmack der Meersalzschokolade überzeugt mich und so kaufe ich natürlich auch etwas. Das muss ich aber auf Italienisch tun, sonst würde  sie nicht verstehen was ich wolle. Dann sagt sie, ich würde italienisch lesen,  wie sie deutsch. Ich bin empört über soviel Zurückhaltung. Dann stottern wir uns beide noch den zu zahlenden Betrag in der Sprache  des jeweils anderen vor und ich verlasse das Geschäft, gefolgt von der Schokoladenverkäuferin, die mich in allen ihr bekannten Sprachen und Wortmeldungen verabschiedet.  Dabei habe ich gar nicht so viele Schokolade probiert….
Beim Blick auf die Uhr bemerke ich, dass ich mein Gepäck holen muss um einen neuen Versuch für San Giorgio zu starten. Der Busbahnhof liegt am anderen Ende des Dorfes. Auf dem Weg ins B&B liegen noch zwei weitere Kirchen (die ich besichtige, real sind es etliche mehr). Dann beginnt der Aufstieg. Schwerbepackt erklimme ich Stufe um Stufe, Treppe um Treppe,  Gasse um Gasse. Ich versuche die Strecke in gleiche Streckenabschnitte zu unterteilen, merke dann aber, wie weit ich schon bin, finde mich toll und setze mir das Ziel, den Weg ohne Pause zurückzulegen. Nichtsdestotrotz, die Sonne scheint, der Aufstieg ist steil, die Poren öffnen sich, die Luftfeuchtigkeit unter meinem  T-Shirt steigt. Ich frage mich, warum ich eigentlich keine kurze Hose trage, verwerfen diesen Gedanken aber wegen seiner Unbrauchbarkeit in diesem Moment und konzentriere mich darauf, keine der vielen Vicos zu nehmen, die sich meist als Sackgasse herausstellen. Denn war ich gestern noch stark hungertodgefährdet, wäre ich nun ein willkommener Opfer der Dehydration. Als die Gasse unter dem als Autoüberführung genutzten Aquädukt knickt und der gepflasterten Boden vor mir zu Schotter und dann zu Geröll wird rutscht mir das Herz in die lange Hose. Ich sehe mich schon Erschöpfung  heulend auf den Stufen sitzen, entscheide mich dann aber das Geröll nicht hinzunehmen und wenn ich es eigenhändig  wegschüppen muss. Und siehe da, vor dem Geröll gibt es einen Abzweig und ein mir inzwischen sehr bekanntes Kirchenportal erscheint. Es ist zwar nur der Seiteneingang, aber damit bin ich mehr als zufrieden. Im Inneren lehne ich mein Gepäck  an einen der gen Himmel sterbenden Pfeiler, lege mich trocken und lasse mich fallen in den fünfschiffigen Rausch an Stuck, Blattwerk,  Muschelmotiven, Ornamentik, Golddekor,  Marmor, Stucco Lustro, Fresken, Skulpturen, Intarsien, Baldachinen, Schnitzereien, Schmiedereien und Kapitellen. Beinahe deplatziert bei soviel Überfluss und Weltfremdheit wirkt da schon fast die nüchterne und funktionale in den Boden eingelassene Sonnenuhr.






Berauscht und gesammelt geht es anschließend die große  Freitreppe hinab zum Busbahnhof.

Siracusa 》Noto 》Ispica 》Modica

Guten Morgen Syracusa,  guten morgen lol. Und es stimmt. Gutgelaunt geht es mit einem überschaubaren Frühstück in den Tag. Aber satt wird man. Das Buttercroissant ist praktischer Weise  schon gefüllt, die Cornflakes lassen sich mit Zucker  versüßen, frisch gebrauter Kaffee mit einem Schuss Milch und ein Blutorangennektar (in separaten Becher) runden das Ganze ab. Für die Hungrigen gibt es noch Toastbrot, Butter und Aprikosenmarmelade. Ich entscheide, dass ich einer dieser bin, nicht weil ich Hunger habe, aber weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Unterbewusst  glaube ich wohl, die Zivilisation zu verlassen und mich in die Gefahr zu begeben, eines qualvollen Hungertodes zu sterben.
Der Vorteil an einem puristischen Frühstück ist, dass sich auch der Abwasch in Grenzen hält. Dabei quatschen zwei Italiener in fröhlich-melodischem Italienisch- unsere Asiatische Freundin,  die soeben ihr Heißgetränke allein genießt fragt: „Do you speak French?“ Irritation.
[Es erinnert mich an eine Episode aus meinem Austausch in Edinburgh. Im Englisch-Aufbaukurs, den ich mit zwei Spanierinnen und einer Französin  genießen  darf, sollten wir in Partnerübungen eine Gespräch führen, als nach einiger Zeit des Stimmengewirrs und verhaltenem Gebrabbel plötzlich, Laura aus  der Nachbargruppe mit süßem, spanischen Akzent,  jedoch in höflich- bestimmten Englisch sagt: „I’m sorry Julie, but I have the feeling  you speak French with me!“.]
Anschließend steht mir Guilia vom LOL Hostel-Team gutaussehend und gut gelaunt mit Tipps für die anstehende Etappe mit Rat und Tat zur Seite. Auf eigene Initiative.
Beschwingt packe ich meine Tasche und merke, der Rucksack hätte nicht groß genug sein. Vollgetankt finden sich neben dem geplant nötigsten  (Reiseführer, Wasser, Sonnencreme, Tablet) inzwischen auch Äpfel, Tomaten, Schokolade, mein Pulli, noch mehr Wasser, eine Galia-Melone (Liebe Eva, ich werde das Messer wohl nicht mit Salami einweihen) und Kekse. Ich entscheide   mich bezüglich der Hunger-Angst selbst zu therapieren. Gleich wenn alles aufgegessen ist. Wenn das nicht klappt, muss es genetisch sein. Unsere heißgeliebte Oma stand offensichtlich  gleiche schweißtreibende Ängste aus, wenn sie sich auf die einstündige  Autofahrt machte um uns zu besuchen. Da konnte die Handtasche für die Bütterchen nicht groß  genug sein. Gott sei dank war das zu einer Zeit, als die Modeindustrie das Handtaschenformat auf einen sinnvollen Maßstab  begrenzt hatte und die Taschen noch-  wahlweise- geschultert oder in der Hand getragen wurden und nicht in der Armbeuge. Mamma  Mia,  Marie, nicht auszudenken, wie viele Butterbrot das geworden wären.
Am Bahnhof angekommen, kaufe ich stotternd ein Biletto per Noto. Dem Hinweis, dieses in the green box zu entwerten, folge ich prompt um mich dann Richtung  Binario  1°-2°-3° zu Gleis zwei zu begeben.  Die am Ende des Bahnhofs gelegenen Gleise voller Pflanzenpracht kommen mit spanisch vor. Es ist noch zeit, also warte ich etwas. Der Zweifel wächst und siegt. Mit einem an den Gleisarbeiter gerichtetes „Scusi, in trend per Noto, dieci-dieci (Fingerzeig aus Gleis) Binario due?“ lässt meine Brust fast vor Stolz platzen. Was er antwortet verstehe ich nicht,  aber sein Finger zeigt deutlich in eine andere Richtung. Dort angekommen, wartet bereits einer der Wagons am Gleis: die Anzeige stimmt, Leute steigen ein, ich tue es ihnen nach, ich wundernd wann die Lok mit dem Rest des Zuges kommt.


Später merke ich, das ist der Zug. Hier treffe ich auch die Weinkarrendame von Gestern wieder. Inzwischen sind es drei Kisten und ein Koffer. Trotz meiner beiden Rucksäcke reiche ich ihr den Koffer nach. Offensichtlich  gehört dies nicht zum Repertoire  der umherstehenden Seniores. Der Zug fährt los. In Avola möchte eine Reisegruppe bestehend aus fünf Herren inklusive ihrer Rennräder zusteigen. Nach etwas Überzeugungsarbeit ist auch das möglich, wir haben schließlich einen ganzen Wagon  Platz.
In Noto mit der Weinkarrenlady ausgestiegen mache ich mich zu Fuß den Berg hoch, frage nach dem  centro storico und folge den Anweisungen. Dort suche ich die touristeninformation, um mein Leck an Vorbereitung  fachmännisch auszugleichen und in der Hoffnung meinen Treckingrucksack loszuwerden. Keine Information in Sicht, obwohl ich mich offensichtlich  schon im centro touristico  befinde, entlade ich mich, nehme ich Platz  auf einer Bank und schaue in meine Reisebegleitung. Dort ist keine Übersichtskarte enthalten,  aber eine Adresse. Suchend scannen  eine  Augen die Umgebung nach Straßenschildern. Piazza XVI Maggio klingt so, wie es hier aussieht. Noch bevor ich ein Straßenschild ausmachen,  treffen meine Augen das große „i“. Da mein Bus nach Inspica  in 1:40h fährt, bleibt keine Zeit für Missmut. Ich hieve mein Gepäck auf transpirant-feuchte Rücken  und Brust und marschiere rein und ohne Gepäck, aber mit Stadtplan und guten Tipps im Hinterkopf wieder raus.
Noto IST ein bestechend eindrucksvolles Barockstädtchen. Durch ein Erdbeben dem Erdbeben gleich gemacht, bauen die verbliebenen Einwohner es im barocken Zeitgeist wieder auf. Von den 19 aristrokratischen Familien müssen sich nun neun Verbleibende alles teilen. Entsprechend opulent  gestalten sie ihr Leben und ihre Behausungen. Der Palazzo Nicolaci di Villadorata, einer Familie, die durch geschickte Geschäfte und Heiraten zu ihrem Adelstitel kamen, reizt mich, ist er doch der einzige zu besichtigende. Von Außen durch reiche Balkonfassaden geschmückt, die im Zeitgeist unten praktisch  ausgestellte Geländer in Form von Gänsebrüsten den Kleidern der Damen Platz boten, ist das Innere leider etwas enttäuschend. Zwar bietet sich ein Einblick in den Stil, den Glanz und den Überfluss jener Tage, doch ist durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen wenig geblieben vom Charme. Weniger weil es sorglos und oberflächlich gemacht wurde- ins Gegenteil. Die Tapeten und Fresken wurden beeindruckend originalgetreu erneuert und instand gesetzt- sondern eher weil alles so offensichtlich neu ist.

Der Blick von einem der Tanzsaal-Balkone über die Dächer in die Landschaft lässt aber noch einmal Erhabenheit aufkommen.


Vom Palazzo schlage ich einen Bogen und laufe parallel zur Via Cavour durch die Straße  an der sich die Palazzo Reihen, dann geht es in die Chiesa e Convento  d’Assissi All‘Immacolata. Für 2€ erstehen ich ein Ticket für dir Viewing Terrace. Insgesamt sind es zwei, eine Richtung Tal gerichtet, den Hügel hinab in die Landschaft schauend, und eine, nach einigen Metern mehr über die Galerie oberhalb des Kirchenraumes,  dem Andachtsbereich der Nonnenchors, kleinen Treppchen und Stiegen hinauf zur Straße  gerichtet mit einem Blick über den Corso vitt. Emanuele und die Piazza Municipio fast vis-a-vis  zur Basilica del SS. Salvatore. Zwei Gut investierte Euro also.


 
Ein kleiner Ort der Zuflucht vor all der dekorativen Präsenz in Stein gehauen Formensprache bietet das Anche gli Angeli in der Via A. da Brescia 20. Hier gibt es in historischen, kühlen gewölben durch lokale Köstlichkeiten und Produkte, Bücher und Fotografie zu stöbern oder eine der Köstlichkeiten zu bestellen. TopTipp.
Mein Gepäck eingesammelt  mache ich mich auf dem Weg zum Bus. Es waren kurze, aber sehr eindrucksvolle 90min. Das Ticket im Hotel  Flora  gekauft stelle ich mich an die Station und lese „aus Spaß“ den Fahrplan, der meine Route nicht aufzeigt. Eine italienische Stimme richtet sich an mich,  ich drehe mich um und sage dem Herrn dem die Stimme gehört, dass ich nur englisch kann. Er fragt mich, ob ich deutsch spreche, ich sage ja. Wir kommen ins Gespräch. Er sei seit 1990 im Sizilien (zurück?), habe Automechaniker gelernt, eine Softwarefirma gehabt, wollte nicht zum Miilitär. Wegen Waffen und so. Viele Infos, kein Zusammenhang. Ich verstehe was er sagt, aber nicht was er meint. Er sagt mir,  dass er nach Catania zum arbeiten muss. Ein Bus kommt. Ich bin erleichtert, dass wir nichtnden gleichen Bus nehmen müssen und er mich nicht ausgeraubt hat. "Catania-Noto-Ispica-Modica" steht im Fenster. Ich nehme meine Tasche und verstauen sie im Laderaum, dann stelle mich an. Vor mir mein bekannter. Ich frage ihn,  ob das denn nicht der Bus nach Ispica sei. Er sagt nein. Im Fenster stehe ja schließlich Catania. Er steigt die Treppe zum Busfahrer hoch. Ich bin irritiert. Ispica stand schließlich auch im Fenster. Auch die Reihenfolge  wäre für meine Reiserichtung sinnig sein. Von den selbstzweifeln eines Ort-und kulturunkundigen, sprachbeschränkten Reisenden ergriffen, will ich soeben meinen Rucksack aus dem Gepäckraum nehmen, da sehe ich, meine Haltestellenbekanntschaft steigt aus. Offensichtlich kann er viel, aber nicht Bus fahren. Das kurze 'Si' des Busfahrers bestätigt meine berechtigte Anwesenheit in diesem Transportmittel, was er mich nicht  fragt ist, was um Himmels Willen ich in Ispica suche.
Angekommen und ausgestiegen stellte ich schnell fest, hier gibt es nicht viel. In der Mittagspause schon gar nicht. Und der nächste Bus kommt in zweieinhalb Stunden... Was tun? Einen Teil meines Minimalvorrates vertilgen und auf Entdeckungstour gehen. Mit ganz geringen Erwartungen. Das erste, beeindruckende Gebäude am Platze, ein alter Palazzo mit Zitronenbaumgarten stellt sich als lokales Verwaltungsgebäude heraus, was mich nicht abhält bis in den letzten Winkel alle unverschlossenen Türen zu öffnen-natürlich nicht. Wer weiß, ob eine davon nicht vielleicht direkt zu einer Arrestzelle führt. Entsprechend schnell hat sich das Highlight als Blitzlicht entpuppt und ich ziehe weiter.


Der Himmel zieht sich weiter zu, es frische deutlich auf. Ich ziehe durch die Straßen - nicht bis Mitternacht - aber ohne Gepäck  hätt's sicher mehr Spaß gemacht. Es geht bergab, meistens, kein Wunder, meine Reisebegleiter beschrieb Ispica als "a hilltop town overlooking a huge canyon, the Cava d'Ispica, riddled with prehistoric tombs". All davon sehe ich nichts. Durch die Straßen voller schlecht instand gehaltener Häuser, teils barock, teils nachkriegsmodern (auch wenn es in diesem Ort sicher keine Kriegsschäden gab), teils dazwischen entstanden, ziehend suche ich nach Anhaltspunkten. Wie sollte es anders sein, nur Kirchtürme. Ich suche mir den schönste raus und ziehe ihm entgegen. Da erblicke ich in einer Seitengasse einen mit strahlend blauem Dach!


DER solls sein. Und diese Entscheidung wird mich nachträglich mit meiner verrückten Idee, hier auszusteigen versöhnen. Ich betrete einen Platz. Geradeaus eine niedrige Gebäudefront mit vielen Toren, rechts neben mir das gleiche inkl. eines Turms, links von mir eine Kirche. Alles menschenleer, still, verlassen, verschlossen, einsam, traurig. Ich drehe eine Runde und gucke mir alles höchst interessiert und kritisch an (so wie zuvor den Busfahrplan). Sich umrunden das niedrige Gebäude. Wofür es erbaut wurde, lässt sich nicht ausmachen. Als ich zurück auf den Platz komme, steht die rechte Seitentür der Kirche offen. Ein Mann kratzt Unkraut von einem Mauervorsprung. Ich nutze die Gelegenheit, stürze mich auf ihn, werfe ihn zu Boden und frage, ob die Kirche geöffnet ist. Er sagt etwas, sein Finger zeigt ins Innere und dann nach links. Ich sage 'grazie' und folge seinen Weisungen. Im Inneren stelle ich mein Gepäck ab und sehe:
Das Innere einer Kirch. Erstaunlich! Da ich nunmal hier bin und der Mann offensichtlich  extra seine Mittagspause für mich verschiebt, schaue ich mich um. Schöne Dekorationen, vielleicht nicht die filigransten ihrer Epoche, aber durchaus annehmbar. Skurril empfinde ich die Figuren und Puppen, in Lebensgröße und eingekleidet.


Dann kommt der nette Herr vom Eingang,  gibt mir ein Zeichen und macht Licht an. Alles wird noch theatralischer, noch bühnenhafter, irgendwie noch befremdlicher. Die Kirche wird zum Wachsfigurenkabinett. Er zeigt mir ein aus Holz geschnittenes Kreuz. Die Detaillierung der Kreuzigung Jesu ist sehr plastisch. Er ist sichtlich stolz, fragt ob wir sowas Tolles auch in Deutschland haben. Ich versuche ihm zu erklären, dass es, wenn hauptsächlich in katholischen Kirchen vorkommen kann. Wir einigen uns auf den Kölner Dom. Der Mann kennt sich aus. Dann winkt er mich leidenschaftlich von einer Attraktion dzur nächsten. Ich komme mit dem gucken gar nicht hinterher. Schließlich soll ich mich anscheinend noch mehr beeilen. Er ist ganz aufgeregt. Als ich vor dem Seitenaltar stehe, neben dem er Aufstellung  genommen hat, legt er einen Schalter um, ein Lichtblitz  blendet mich, Strahlen der Erleuchtung fluten den Raum, der Seitenaltar, umrahmt von Putten,  Engeln und Madonnen wird erhellt von tausenden weißer Glühbirnen. Das blaue Kreuz wird durch einen eigenen Lichtkranz  akzentuiert. Es ist wie auf dem Jahrmarkt. Ich blicke zu dem Mann, stammel  ein irritiertes "wow...". Er hat schon den nächsten Schalter in der Hand, gibt mir ein Zeichen mich (gefälligst) zu konzentrieren. Beim erneuten Anblick des Altars fällt mir auf, es wird gar nichts dargestellt. Die zentrale Fläche zwischen den Säulen ist ein samtbespanntes Feld in purpurem Rot. In dem Moment ertönt ein Klacken, ein Surren und der Vorhang fährt hoch um eine Szene aus Jesus' Kreuzigung zu enthüllen. Das ist besser als Jahrmarkt!!! (auch wenn Inhalt und Präsentation etwas widersprüchlich sind).


Einem Cappuccino später (dass man den in Italien nur zum Frühstück trinkt, wird mir erst später wieder in Erinnerung gerufen werden) ist mein fulminanten Aufenthalt in Ispica  vorüber und es geht nach Medicia. Dort checke ich im B&B LunaBlu ein und entdecke die Stadt auf einem abendlichen Spaziergang. Gelegen an verschieden Hängen, schlängelt sich die Hauptstraße Corso Umberto I durch das Tal. Überall gibt es Treppen, die ersten Kirchen werden besichtigt.



Der Palazzo di Conte  wird leider zur Zeit renoviert und kann nicht besichtigt werden. Schade, die Besichtigung eines gesamten Palazzo steht nämlich noch auf meiner Wunschliste. Durch Gassen ziehend fällt mir ein Schild auf "Taverna Nicastro". Davon habe ich gelesen und beschließe mir ein eigenes Bild zu machen. Viele, viele Stufen später, einige Wegbeschreibungen- nicht alle richtig interpretiert- später bin ich da. Ich frage nach einem tavola per uno, der Kellner,  führt mich durch einen leeren Gastraum in einen weiteren leeren Gastraum und sagt ich könne zwischen Tisch zwei, vier und sechs wählen. Ich nehme zwei  und Platz. Aus der Karte wähle ich das vorgeschlagene Menü,  klassisch italienisch mit Vorspeise, Gang eins und zwei, und einen vino Rosso- quarto.


Ich bin der einzige Gast, in einem neonlicht-hellen Raum, die Fenster sind mit Folie beklebt, die Einrichtung nüchtern karg. Eigentlich typisch italienisch. Leider menschenleer. Nach einer Zeit habe ich alle Bilder betrachtet. Der Kellner bringt den nächsten Gang. Er spricht leider nur italienisch. Außer ja, bitte, danke, ist keine Konversation möglich. Ich fühle mich einsam und ärgere mich über mich selbst. Nicht mal neues Besteck kann ich bestellen, obwohl ich fortwährend im Wörterbuch blättere.  Das Essen ist gut, die Umstände lassen aber keine Euphorie zu. Später kommt noch ein älteres Pärchen. Auch sie sprechen nur italienisch. Ein weiteres Pärchen spricht nur mit sich selbst...
Ich nehme trotzdem noch ein dolci. Auch das schmeckt gut, kann die Bitterkeit aber nicht nehmen. Ich bestelle die Rechnung. Die kommt im kleinen Klappbuch, ich lege mein Geld hinein und warte, dass der Kellner kommt und es abholt. Es passiert aber nichts. Ich schiebe das Buch an die Tischkante. Nichts passiert. Irgendwann gebe ich dem Kellner ein Zeichen. Er nimmt das Buch mit. Inzwischen sind alle anderen gegangen. Ich ziehe mir meine Jacke an. Der Kellner bringt das Wechselgeld. Ich lasse das Trinkgeld im Einschlag liegen und gehe. Am Eingang treffe ich das alte Pärchen. Sie stehen an einer Kasse und zahlen. Ich bin sprachlos, stottere ein geknickt 'ciao' und gehe.